Interview mit dem
Schauspieler und Hörbuch- / Synchronsprecher
Joachim Kerzel
für hoerbuchstimmen.de, stephen-king.de und BookOla.de
geführt von Gerald Schnellbach
Kurzbiografie Joachim Kerzel:
Geboren 1941 in Hindenburg/Oberschlesien. Nach der Flucht 1945 in Augsburg aufgewachsen.1961-63 Bundeswehrdienst bei der Marine als Funker. 1963-66 Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Nach erfolgreicher Bühnenreifeprüfung erstes Engagement am Stadttheater in Hildesheim.(1966-69).Von 1969 bis 78 Staatliche Schauspielbühnen Berlin. Seit 1978 freiberuflicher Schauspieler mit regelmäßigen Engagements an Boulevardtheatern in Berlin und München. Diverse Fernsehrollen in Serien wie „Die Drombuschs“, „Autofritze“, “ Im Namen des Gesetzes“. Fernsehfilme: „Der Neger Weiß“, „Die Liebenden“. Seit 1966 gefragter Sprecher beim Rundfunk und in Synchronfirmen. Oft deutsche Stimme von Pierre Arditi, Bruno Cremer, Jean Reno, Robert Wagner, Alan Bates, Dennis Hopper, Dustin Hoffman, Harvey Keitel, Anthony Hopkins, Jack Nicholson. Sprecher bei diversen Hörbüchern von Stephen King (u.a. Der Werwolf von Tarker Mills, Briefe aus Jerusalem, Trucks, Das Mädchen, Nachtschicht); weitere Hörbücher: „Der Exorzist“, „Der Sterne Tennisbälle“, „Sixtinische Verschwörung“, „Die purpurnen Flüsse“, „Die Säulen der Erde“.(Hierfür 2004 goldene Schallplatte) 2003 „Deutscher Preis für Synchron“ beste Hauptrolle-(About Schmidt).
Hallo Herr Kerzel,
Ihre Stimme ist eine der bekanntesten Deutschlands. Neben Ihrer Arbeit als Synchron- und Hörbuchsprecher sprechen Sie auch zwei Drittel aller deutschen Kinotrailer. Wurden Sie schon oft im Privatleben anhand Ihrer Stimme erkannt?
Joachim Kerzel: Erstaunlich oft. In Restaurants wenn ich bestelle, bei Taxi- Fahrten, oder wenn ich einkaufen gehe. Aber natürlich immer von eifrigen Kinogängern, die ein musikalisches Gehör haben.
Ihre Stimme ist bekannter als die der Person die dahinter steckt. Stört es Sie oder sind Sie ganz froh, dass nicht jeder den Menschen hinter der Stimme erkennt?
Joachim Kerzel: Bin ganz froh darüber, sonst käme ein gewisser Neidfaktor auf.
Sie sind unter anderem die deutsche Synchronstimme von Jack Nicholson, Dustin Hoffmann, Robert Wagner, Jean Reno, Dennis Hopper, Harvey Keitel und Anthony Hopkins. Verstellen Sie beim Sprechen der unterschiedlichen Schauspieler Ihre Stimme? Oft sieht man im TV oder Kino einen Schauspieler und denkt sofort: „Die Stimme kenne ich“. Bei den oben genannten ist es mir persönlich noch nicht aufgefallen, dass sie von ein und derselben Person synchronisiert werden.
Joachim Kerzel: Durch oftmaliges Hören des Originaltons bemühe ich mich die wesentlichen Eigenschaften der Originalstimme mit meinen Mitteln zu ersetzen. Ich bin kein Stimmenimitator. Aber jeder Sprechende hat gewisse Rhythmuswechsel, bestimmte Tonfrequenzen, ganz eigene Modulationen, auch Eitelkeiten, Humor usw. Das versuche ich mit meinen bescheidenen Mitteln wiederzugeben, möglichst auch noch passend zur Mimik oder der Körpersprache. Und natürlich auch „lippensynchron“.
Dass Sie Robert de Niro synchronisieren, wie auf einigen Internetseiten zu lesen ist, ist aber nicht richtig?!
Joachim Kerzel: Vor vielen Jahren war der Sprecher von de Niro, der Kollege Christian Brückner beruflich ein oder zwei Jahre in Amerika. Da hat man , weil man ihn nicht einfliegen lassen wollte, konnte oder sonst was, einen anderen Sprecher gesucht und ist auf mich gekommen. Aber als Christian wieder in Deutschland war, hat er selbstverständlich wieder alle Filme mit de Niro gesprochen. Daraus hat irgendein ahnungsloser Besserwisser schon vor Jahren im Internet den Satz verbreitet: „Kerzel wird gern genommen, wenn Brückner nicht kann“. Also hiermit sei die Sache öffentlich geklärt: Ich werde auch gern genommen „wenn Brückner kann“! Aber eben für ganz andere Schauspieler.
Viele Schauspieler haben immer die gleiche Synchronstimme. Gibt es einen Grund, warum der Sprecher bei einigen anderen öfters wechselt? Auch Jack Nicholson (Shining) und Dustin Hoffmann hatten früher einen anderen Synchronsprecher.
Joachim Kerzel: Da ist zunächst mal ein ganz natürlicher Grund: Das Ableben.
Jack Nicholson wurde früher von einem hervorragenden Sprecher aus München gesprochen der leider verunglückt ist. Für „Shining „hat Stanley Kubrik ein Casting für alle Rollen gemacht. Da wurde Jörg Pleva der Sprecher von Nicholson. Für „Die Hexen von Eastwick“ wurde wieder ein Casting für Nicholson gemacht, an dem ich mitgemacht habe. Seitdem spreche ich die Rollen von Jack Nicholson. Dustin Hoffman hat für die Rolle in „Hook“ seine Stimme tiefer trainiert. Der bisherige Sprecher passte nicht mehr. Es wurde ein Kollege aus Hamburg besetzt. Er kam mit dem Team nicht klar, so wurde ich gebeten, es zu versuchen und es klappte. Manchmal passt einem Regisseur, dem Verleih oder sogar dem Original-Schauspieler die Stimme nicht. Oder aus Kostengründen:. Warum soll man einen Synchronschauspieler aus München oder Hamburg einfliegen lassen, Übernachtung und Spesen für ihn aufbringen, wenn doch einer in der Stadt ist, der den auch sprechen könnte. So was kommt auch vor.
Haben Sie einen der von Ihnen synchronisierten Schauspieler schon einmal persönlich getroffen? Wenn ja, welchen Eindruck hatten Sie von ihnen?
Joachim Kerzel: Als ich 1984 in „Es war einmal in Amerika“ Robert de Niro synchronisierte, kam er zur Premiere in Berlin und wir wurden uns kurz vorgestellt. Er machte einen zurückhaltenden, bescheidenen und höflichen Eindruck.
Neben Ihrer Arbeit als Schauspieler und Synchron- und Hörbuchsprecher arbeiten Sie auch im Hörfunk und führen Dialogregie (u. a. Twin Peaks, The Manchurian Candidate). Welche dieser Arbeiten macht Ihnen am meisten Spaß?
Joachim Kerzel: Eigentlich macht mir jede dieser Tätigkeiten gleich viel Freude. Denn jede hat ihren eigenen Reiz. Aber ich versuche schon im Vorfeld etwas zu „sortieren“.
Was sind Ihre persönlichen Hörbuch/Hörspiel Favoriten und Ihre persönlichen Lieblingsfilme; bei denen Sie als Sprecher mitwirkten?
Joachim Kerzel: Mein Lieblingsfilm ist „About Schmidt“ (Jack Nicholson) und mein Lieblingshörbuch ist „Der Sterne Tennisbälle“.
Sie haben auch bei einigen Stephen King Hörbüchern mitgewirkt. Wie fanden Sie diese Geschichten?
Joachim Kerzel: Spannend, gut nachzuvollziehen, gut zu lesen, was auch an der guten Deutschen Übersetzung liegt. Mit „Das Mädchen“ habe ich mir etwas schwer getan. Da war ich froh, dass Franziska Pigulla sich mit mir abwechselte.
Neben Stephen King sprechen Sie auch Hörbücher von Jason Dark, Edgar Allen Poe und H. P. Lovecraft. Interessieren Sie sich auch privat für dieses Genre? Was lesen Sie privat am liebsten?
Joachim Kerzel: Für dieses Genre kann ich mich nicht so besonders begeistern. Aber es gehört auch zum Beruf, sich darin zu versuchen. Ich habe mich da etwas zurückgezogen, denn man bekommt ja auch Albträume davon, wie von zu schwerem Essen.
Was sind Ihre derzeitigen Projekte? Woran arbeiten Sie zur Zeit?
Joachim Kerzel: z.Zt. beantworte ich mit viel Disziplin dieses Interview. Weitere Pläne habe ich nicht und das entspricht meiner Lieblingssituation:. Ich lebe „von der Hand in den Mund“. Aber dafür bin ich sehr flexibel und offen für alles Sinnvolle und Machbare.
Wir möchten uns noch einmal für dieses Interview bedanken und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg für alle anstehenden Projekte.